Es war einmal… kein Platz mehr für Fantasie

Es war einmal – so beginnt jedes traditionelle Märchen, bevor es dich in den Bann seiner Zeilen zieht, die voller Träumereien, Fantasie und Magie stecken. Bevor du mit fantastischen Wesen farbenprächtige Abenteuer erlebst, wundervolle Welten durchstreifst, die Qualen eines Fluches erfährst und am Ende Glück und eine weitere Weisheit geschenkt bekommst. Aber lässt du dich davon denn tatsächlich in den Bann ziehen? Oder bremst du vorher ab? Weil es kindisch ist oder gar Zeitverschwendung? Oder weil du Wichtigeres zu tun hast und in der Realität die echten Probleme gelöst werden müssen?

Wenn ja, dann geht es dir wie mir. Fantasie hat keinen Platz in meinem getriebenen Leben, in dem ich möglichst viele To Dos abhaken und hohe Zahlen auf meinem Konto sehen möchte. Es müssen Entscheidungen getroffen, Schritte getan und Probleme gelöst werden. Im Großen und Ganzen geht es darum in unserem Alltag, oder? Und während ich das schreibe, zweifle ich selbst daran, ob das Thema Fantasie wirklich einen Platz auf meinem Blog bekommen sollte. Aber JA, sollte es unbedingt! Darf ich dir erzählen, warum?

Fantasie weicht logik

Die meisten von uns leben ihr Leben aus ihrem Verstand heraus. Das bedeutet, die Entscheidungen, Schritte und Probleme, von denen ich sprach, werden im logisch und rational denkenden Teil unseres Gehirns angegangen. So haben wir es gelernt, so funktioniert es. Und deshalb schenken wir beispielsweise unseren Gefühlen eher weniger Raum in unserem Alltag, weil wir sie als störend oder vom Eigentlichen ablenkend empfinden. Dabei kann uns unser sogenanntes „Bauchgefühl“ oder auch unsere Intuition sehr wohl dabei helfen, Entscheidungen zu treffen, Aufgaben zu bewältigen und Probleme zu lösen. Unsere Intuition kann uns sogar dabei unterstützen, dies so zu tun, wie es unserem Wesen und unserem tatsächlichen Willen entspricht, während unser Verstand sich sehr an den Meinungen anderer und der Gesellschaft orientiert. Das Problem ist nur, dass wir die Stimme unserer Intuition häufig gar nicht mehr wirklich wahrnehmen, weil wir so sehr von Logik, Rationalität und gesellschaftlichen Konventionen geleitet sind. Und weil wir vielleicht das ein oder anderer Mal belächelt wurden als unser „Bauchgefühl“, unsere Intuition der Grund für eine Entscheidung war.

Ähnlich ist es mit unserer Fantasie. Kinder, die in ihre Spielereien und Kunstwerke viel Fantasie stecken, werden beklatscht. Und wirklich jedes Kind ist reich an Fantasie und drückt dies auf seine ganz eigene Art und Weise aus. Doch was dann passiert, ist, dass wir älter werden und uns in ein System einfügen (müssen), das keinen Platz mehr für Fantasie lässt. Spätestens in der weiterführenden Schule stehen im Deutschunterricht keine eigenen Erzählungen mehr auf der Tagesordnung, sondern Erörterungen und Analysen. Und wenn wir im Alltag mal einfach dasitzen und vor uns hin träumen (ganz à la Pippi Langstrumpf), werden wir direkt als Träumer*innen bezeichnet, was nicht unbedingt positiv zu verstehen ist. Träumer*innen haben wie ihre Fantasie und Kreativität keinen Platz in dieser Welt. Dabei wären genau sie diejenigen, die – wenn auch in ihrem eigenen Tempo – die kreativen Lösungen und Ideen präsentieren, die es braucht, um diese gleichfarbige, eintönige Masse unserer Gesellschaft aufzubrechen und darin Licht und Farbe zu verbreiten. Natürlich und zum Glück gibt es die, denen das gelingt. Aber die meisten verbieten sich ihre Fantasie im Lauf der Zeit und verlieren irgendwann komplett ihren Zugang.

platz für fantasiereisen

So ist es auch bei mir. Sobald ich ein paar Wörter schriftlich aneinanderreihen konnte, begann ich, Geschichten zu schreiben. Über kleine Mädchen, lebendige Schneemänner und eine Sonnenblumenfamilie. Meine Grundschullehrerin lobte mich, meine spätere Deutschlehrerin war von meinen Textanalysen nicht halb so begeistert. Damals war ich enttäuscht von mir, weil ich gedacht hatte, ich sei gut in Deutsch – heute weiß ich, dass mir eben vor allem die freien und journalistischen Stücke liegen, doch die kamen viel zu kurz in meiner Schulzeit. Aber wie sieht es aus mit den Fantasie-Erzählungen über magische Welten, in denen Schneemänner und Sonnenblumen lebendig sind? Insgeheim weiß ich, dass ich das immer noch kann und eine blühende Fantasie habe. Doch auch mir ist der Zugang irgendwie abhanden gekommen. Wenn ich los schreiben will, merke ich deutlich Bremsen und Grenzen, die mich nicht noch größer und noch fantastischer denken lassen. Brav abtrainiert habe ich mir das und schön fleißig Grenzen aufgebaut, um bloß nicht ins Träumen zu geraten und mir ja nichts Unmögliches auszudenken, das ich am Ende noch verwirklichen wollen würde. Ja, wo kämen wir denn da hin?

Nun ja, möglicherweise in ungeahnte Sphären, in denen ich die wundervollsten Welten erschaffe und mir damit tatsächlich meine eigenen Träume verwirkliche! Etwa den Traum von einem eigenen Kinderbuch. Und genau deshalb habe ich entschieden, meiner Fantasie wieder mehr Platz in meinem Leben einzurichten und mich auf die Suche nach ihr zu begeben. Und ich glaube, dass ich, wenn ich in meinem Alltag Platz für Fantasiereisen mache, sie auch finden und nutzen können werde. Dass ich wieder dorthin kommen kann, nichts für unmöglich, zu groß, zu fantasievoll oder zu weit weg zu halten. Sondern stattdessen ein bisschen naiv, ein bisschen idealistisch, ein bisschen verrückt zu sein und Gebrauch davon zu machen, um Menschen in den Bann meiner Zeilen zu ziehen, die voller Träumereien, Fantasie und Magie stecken.

So ganz nach Alice aus „Alice im Wunderland“ – einer meiner liebsten fantastischen Geschichten überhaupt:

Du bist total durchgeknallt. Aber soll ich dir ein Geheimnis verraten? Das macht die Besten aus.

Alice im Wunderland von Lewis Carroll

2 Kommentare zu „Es war einmal… kein Platz mehr für Fantasie

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